Noch keine Rechtssprechung / Hausbesitzer und -verwalter sollten sich bei Haustechnik-Firmen vorsorglich absichern

Wenn wegen der Datumsumstellung auf den 01.01.2000 in einem Gebäude der Lift ausfällt oder die elektronische Heizungsregelung verrückt spielt - wer haftet dann dafür? Werden die Gerichte von einer Flut von Schadenersatz- und Produkthaftungsklagen überschwemmt werden?

Die Sektion für Bundeshochbau des Wirtschaftsministeriums hat nun vorsorglich alle Register gezogen. In einer öffentlichen Aufforderung in der Wiener Zeitung vom 3. März 1999 heißt es: „Alle Unternehmen, welche ... datumsgeführte Komponenten in haustechnischen Anlagen eingebaut haben, werden aufgefordert, Softwaremängel beim Übergang auf das Datum 1. Jänner 2000 vorsorglich zu beheben.“ Es geht hier um die öffentlichen Gebäude der Republik Österreich wie Schulen, Gefängnisse oder Universitäten, für die diese Sektion verantwortlich ist. Den Firmen, von denen Teile der Haustechnik stammen - Heizung oder Aufzug zum Beispiel - wird somit die Verantwortung für auftretende Schäden zugeschanzt.

„Das ist eine bisher nicht übliche Vorgangsweise“, sagt Peter Lanik von der Akademie für technische Gebäudeausrüstung (ATGA) und Jahr-2000-Experte. „Bei wem die Verantwortung für auftretende Ausfälle liegt, ist noch nicht ausjudiziert.“ „Auftragsnehmer“ sprechen von einer „typischen Beamtenreaktion“, die nur die Verantwortung abschieben wolle. Für die Rechtslage habe das keine Bedeutung.

Wichtig für alle Hausbesitzer und -verwalter: Die rechtliche Situation für Jahr-2000-Fehler ist äußerst komplex, es gibt noch keine Rechtsprechung. Grundsätzlich empfiehlt es sich, mit den Anlagenherstellern und -lieferanten gemeinsam Lösungen zu suchen. Eine schriftliche Bestätigung der Funktionsfähigkeit der Anlagen ist jedenfalls sinnvoll.

Lanik rechnet mit einer „österreichischen Lösung“, das heißt, mit gegenseitigem Entgegenkommen im Vorfeld, anstatt einer Prozess-Flut. Albert Pilger von der Gebäudemanagement-Firma P-FM verhindert soweit als möglich Probleme schon im Vorfeld, sodass es zu gar keinen Rechtsstreitigkeiten kommt. Denn welches Unternehmen könnte es sich schon leisten, über mehrere Jahre einen Prozess mit derart ungewissem Ausgang zu führen? Das weiß man auch in der Sektion Hochbau im Wirtschaftsministerium, die die zitierte Aufforderung veröffentlichte. Sektionschef Wilhelm Kranzlmayer: „Wir arbeiten bezüglich Jahr-2000-Umstellung auf vielen Ebenen. Diese Aufforderung ist nur eine Maßnahme unter vielen. Wir sind eben große Hausherren und müssen alle Eventualitäten abdecken...“

Eine vom Institut für Höhere Studien (IHS) und AGTA durchgeführte Studie hat für große Gebäude eine Umstelldauer von elf Monaten ergeben - für Spätstarter wird also die Zeit schon sehr knapp.


Datumstauglichkeit gilt ab 1995 als "Stand der Technik"

Ein Beispiel: Eine Heizungsanlage, 1995 gekauft und vom Hersteller auf Y2K-Tauglichkeit geprüft. Beim Datumssprung tritt ein Fehler auf, ein Schaden entsteht. Rechtsanwalt Benedikt Wallner: „Grundsätzlich kommen hier Ansprüche aus Gewährleistung, Schadenersatz und Produkthaftung zum Tragen. Heute gilt das Jahr 1995 als Jahr, in dem die Y2K-Tauglichkeit ‚Stand der Technik’ wurde.“

Unser Beispiel: Gewährleistungsansprüche sind bei fix mit dem Haus verbundenen Anlagen im Jahr 2000 bereits verjährt (Frist: Drei Jahre).

Schadenersatzansprüche hat der Hausbesitzer (bei leichter Fahrlässigkeit des Vertragspartners) in jedem Fall, egal, ob die Anlage nicht oder nur mangelhaft überprüft wurde. Der Schaden wird aber voraussichtlich nur teilweise ersetzt, weil dem Heizungskäufer Mitverschulden entgegengehalten werden kann. Es kann allgemein vom Hersteller/Händler und auch von den Hausbesitzern erwartet werden, dass sie von der Y2K-Problematik wussten und Maßnahmen setzten. Ab dem „magischen Jahr“ 1995 wird die Datums-Tauglichkeit automatisch zum Vertragsinhalt, ohne explizit verankert zu sein. Hat der Hersteller/Händler die Heizung 1995 darauf immer noch nicht überprüft, ist der Vertrag verletzt. Es gilt Beweislastumkehr: Der Hausbesitzer muss nur noch den eingetretenen Schaden beweisen, sein Vertragspartner aber, daran nicht schuld zu sein.

Anders die Produkthaftung: Aufgrund eines Datumsfehlers könnte ein Brand den Keller eines Hauses zerstören. Unabhängig vom Verschulden haftete der Hersteller/Händler zehn Jahre lang. Hier besteht ebenfalls die Gefahr eines Mitverschuldenseinwandes, sobald die Mangelhaftigkeit der Anlage vom Betreiber erkannt werden konnte. Wallner: „Eine Überprüfungspflicht trifft den Anlagenbetreiber aber voraussichtlich nicht.“

Quelle: KURIER / 20.03.1999 / Seite 33 / von Ulrike Rubasch