Neue Urteile sagen: Auch ohne Reisewarnung des Außenamtes können Urlaube kostenlos storniert werden.

Terroranschläge und Bürgerkriege gehören heutzutage auch in Touristenzentren schon zum Risiko, mit dem der Urlauber rechnen muss. Und wenn es ihm zu gefährlich wird, unter welchen Umständen darf er die gebuchte Reise ohne Stornogebühren absagen?

Landläufig galt bisher die Meinung: Wenn das Außenministerium eine ausdrückliche Reisewarnung – die höchste Sicherheitsstufe – ausspricht, hat der Reisende quasi automatisch das Recht, zu stornieren, und der Reiseveranstalter muss es schlucken. Zwei neue Urteile erleichtern dem Konsumenten jedoch den Rücktritt von der gebuchten Reise:

1. Fall: Als das Wiener Ehepaar K. die Reise nach Sri Lanka buchte, herrschten zwar im Norden der Insel Unruhen, im übrigen Land war die Lage aber stabil. Rund vier Wochen vor dem Abflug wurde vom Außenamt eine „erhöhte Sicherheitsgefährdung“ für die restlichen Gebiete inklusive Colombo herausgegeben, und im Süden gab es einen Terroranschlag. Man riet dem Ehepaar, öffentliche Plätze oder Behörden zu meiden.
Der Zweck der Reise lag darin, dass Frau K. – die von Adoptiveltern aufgezogen war – in Sri Lanka ihre leibliche Mutter ausfindig machen wollte. Dazu hätte sie bei ihren Recherchen vor Ort Behörden und öffentliche Plätze aufsuchen müssen.

Das junge Ehepaar beschloss, die Reise zu verschieben und stornierte. Der Reiseveranstalter weigerte sich, den bereits überwiesenen Pauschalpreis von 1.330,00 Euro zurückzahlen. Mithilfe ihres Rechtsanwaltes Thomas Fried holte sich Familie K. das Geld vor Gericht zurück.

Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien nimmt in solchen Fällen einen „weder besonders mutigen, noch besonders ängstlichen Reisenden“ als Maßstab. Und dieser hätte von der Reise Abstand genommen, nachdem er gewissenhaft Auskünfte eingeholt hat, wie das Wiener Ehepaar. Die zwischen Buchung und beabsichtigtem Reiseantritt stattgefundenen Terroranschläge berechtigten – so das rechtskräftige Urteil – zum Rücktritt vom Vertrag.

2. Fall: Ähnlich fiel die ebenfalls rechtskräftige Entscheidung desselben Gerichts bei einer Türkei-Reise aus. Ein Wiener buchte einen Urlaub in Antalya/Kappadokien für 688 Euro, flog dann aber lieber nicht. Die 50 Prozent Stornogebühr hat er sich mithilfe seines Anwalts Gerhard Deinhofer erspart.

Vor der geplanten Abreise gab es mehrere Sprengstoffanschläge in Touristenzentren, und Extremisten drohten weitere Attentate in der gesamten Türkei an. Das Außenministerium erhöhte die Sicherheitsstufe daher um einen Grad und riet von Reisen in die betroffenen Gebiete ab. Eine ausdrückliche „Reisewarnung“ – die auf jeden Fall zum kostenlosen Rücktritt berechtigt – wurde nicht ausgesprochen. Diese höchste Stufe wird in der Regel erst gewählt, wenn sich ein Land im Kriegszustand befindet.

Dem Gericht reicht aber auch schon das ausgesprochene „erhöhte Sicherheitsrisiko“ in Verbindung mit der Ankündigung von weiteren Terrorakten „als Überschreitung der maßgeblichen Grenze für die Unzumutbarkeit des Antritts der Reise“ (aus dem Urteil).

Wobei extra darauf hingewiesen wird, dass (neben der Einschätzung des Außenamtes) „seriöse Medienberichte für die Beurteilung eine Entscheidungsgrundlage“ darstellen.

Quelle: KURIER / Seite 23 / vom 27.05.2008 / von Ricardo Peyerl