In einem im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums geführten Musterprozess des VKI hat das BGHS bestätigt, dass Zahlungen des Reisenden an das insolvente Reisebüro schuldbefreiend sind.
Der Konsument buchte über ein Reisebüro eine von der Beklagten veranstaltete Reise für den Reisezeitraum 23.12.2012 bis 6.1.2013 zu einem Preis von EUR 5.563,00. Er erhielt eine Bestätigung/Rechnung, auf der folgendes vermerkt war: "Anzahlung - zahlbar gleich nach Rechnungserhalt EUR 1.100,00" und "Restzahlung" zahlbar bis 9.12. EUR 4.553,50". Die Anzahlung leistete er sogleich, die letzte Restzahlung am 27.11.2012. Insgesamt zahlte er mehr als den Reisepreis. Weil über das Reisebüro am 4.12.2012 das Konkursverfahren eröffnet wurde forderte die beklagte Partei nochmals einen Betrag von EUR 4.450,00. Weil der Konsument die Reise antreten wollte, bezahlte er diesen Betrag. Unter Abtretung des Anspruches an den VKI wurde der nochmals bezahlte Betrag zurückgefordert. Das BGHS Wien gab dem Klagebegehren statt.
Unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung (RS0019472) kam das Gericht zur Auffassung, dass der Reisevermittler Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters ist. Erfüllungsgehilfenhaftung ergäbe sich dann, wenn sich der Reiseveranstalter zur Verfolgung eigener Interessen gegenüber dem Kunden eines Reisebüros bedient (RS 0028425, RS 0028499), was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Reisebüromitarbeiter Pflichten erfülle, die nicht nur das Reisebüro als Vermittler, sondern auch den Veranstalter selbst träfen (4 Ob 130/09k). Zweifellos seien daher der Beklagten die Information über die Zahlungsmodalitäten und die Entgegennahme der Zahlungen zuzurechnen bzw wirkten Zahlungen schuldbefreiend.
Gemäß der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung des § 4 Abs 6 RSV (idF vom 25.10.2006) dürfen Kundengelder als Anzahlung oder Restzahlung in Höhe von mehr als 20% des Reisepreises nur Zug um Zug gegen Aushändigung der Reiseunterlagen an den Reisenden und nicht früher als zwei Wochen vor Reiseantritt übernommen werden. Die Formulierung "zahlbar bis" zwei Wochen vor Reiseantritt widerspreche dieser Bestimmung. Zudem sei die Übergabe der Reiseunterlagen nicht Zug um Zug erfolgt. Weil der Veranstalter, vertreten durch das vermittelnde Reisebüro, zu einer verfrühten Zahlung aufforderte, sei der Konsument schutzwürdig, wenn er dieser Aufforderung nachkomme. Im Ergebnis seien die Zahlungen des Konsumenten an das Reisebüro als schuldbefreiend anzusehen. Die über den Reisepreis hinausgehende Zahlung sei als Zahlung einer Nichtschuld zu beurteilen, die bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden könne.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat Berufung erhoben.
BGHS Wien 2.8.2013, 14 C 232/13i
Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien