Unschuld verloren

Betrifft: „Prince Charles der Architektur“, Leserbrief von D. Steiner, Falter 22/16

Direktor Steiner erachtet den Umstand, dass der Fachbeirat der Stadt Wien für Stadtplanung und Stadtgestaltung ein privates Bauprojekt beurteilt, und zwar negativ, als „provinzielle Groteske“, weil über dieses Bauprojekt ein – ebenfalls privater – Architekturwettbewerb abgehalten wurde. Steiner glaubt Unvereinbarkeiten zu erkennen. Nun soll nicht vergessen werden, dass auch das verdienstvolle Architekturzentrum und sein Direktor ihre Unschuld verloren haben, als sie – nicht zufällig während des laufenden Verfahrens – dem Wettbewerbsgewinner, finanziert vom Investor des Projektes, eine große Personalausstellung widmeten, in welcher zentral und werbewirksam das Modell eben dieses Wettbewerbs thronte. Das AzW wurde „als Bühne benutzt“ (Peter Reischer).

Das ständig repetierte Argument des „internationalen Wettbewerbs“, weswegen das Investorenprojekt Heumarkt, derart geweiht, entgegen allen Vorgaben des Flächenwidmungsplans bewilligt werden solle, verschweigt beharrlich, dass dieser Wettbewerb die gegebenen Widmungen und baurechtlichen (Höhen- und Kubatur-) Vorschriften bewusst negiert hat. Nun darf freilich jeder Wettbewerbe ausloben, etwa für die Errichtung eines Hotel-Towers im Schrebergarten. Die Errichtung des so gewonnenen, von mir aus internationalen Siegerprojektes wird freilich, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, zwangsläufig daran scheitern, dass der Einreicher von der MA 37 nachdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das Projekt als widmungswidrig keine Chance auf Bewilligung hat. Auch wenn der Bauwerber am Heumarkt andere Einflussmöglichkeiten hat als der gemeine Schrebergärtner: Voraussetzung (nicht: Folge!) jedes Bauprojektes, architektonisch brillant oder doch eher weniger, ist eine entsprechende Flächenwidmung.

Für die vom Investor gewünschte – und zur Erzielung der geplanten Kubatur unumgängliche – Umwidmung auf eine weit höhere Bauklasse als bisher vom Gemeinderat beschlossen haben nun der Fachbeirat in seinem (auch laut Steiner) ureigenen Aufgabenbereich und die zuständigen Magistratsabteilungen keine hinreichenden Argumente gefunden und Bedenken angeführt. Diese fachlichen Beurteilungen deshalb schlicht zu negieren, weil eben ein Wettbewerb stattgefunden habe, würde die Ebene einer „Provinzposse“ deutlich übersteigen und eher am Begriff „Amtsmissbrauch“ kratzen. Die Stadtplanung wird ausschließlich nach öffentlichem Interesse über Widmungen zu entscheiden haben. Polemik über Weltkulturerbe, Prince Charles und die Zivilgesellschaft riecht dagegen nach durchsichtiger Stimmungsmache im Mantel des Experten.

Fritz Petri

Der Autor ist Rechtsanwalt und lebt in Wien

Quelle: FALTER 23/16