Urteil: Kratzer in der Badewanne gehört zur „gewöhnlichen Abnützung“

von Ricardo Peyerl

Wie abgenützt darf eine Mietwohnung nach 20 Jahren sein? Erstmals ist ein (rechtskräftiges) Urteil zu dieser Frage ins Detail gegangen. So gehören zum Beispiel Kratzer in der Badewanne, Flecken auf dem Teppichboden und Risse in den Tapeten einfach dazu.

SANIERUNG Eine Wienerin war 1991 in die im Jahr 1980 errichtete Mietwohnung ihrer Tante gezogen. 2002 zog sie wieder aus. Der Vermieter beklagte sich über den Zustand der Wohnung, ließ sie sanieren und forderte von der Ex-Mieterin insgesamt über 4000 Euro. Sie zahlte mit Vorbehalt. Der Verein für Konsumenteninformation strengte einen Prozess zu diesem Problem an. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen (41 R 275/04a) zählte zunächst auf, was alles unter den Begriff „gewöhnliche Abnützung“ fällt.

  1. Nach 22 Jahren darf eine Badewanne Kratzer aufweisen. Es ist nicht in Ordnung, der Mieterin deshalb eine neue Email-Beschichtung zu verrechnen. Ebenso darf der Teppichboden im Kinderzimmer nach so langer Zeit verschmutzt, auch stark verschmutzt sein.
  2. Schraubt man eine handelsübliche Stellage von der Wand ab, dann liegt auf der Hand, dass Löcher und Risse in den dahintergelegenen Tapeten zurückbleiben.
  3. Die Malerei ist nach 22-jähriger Nutzungsdauer ohnehin zu erneuern. Unterschiedlich gefärbte Vorzimmerwände, die hinter Kästen zum Vorschein kommen, können der Mieterin beim Auszug daher nicht zum Vorwurf gemacht werden. Leben darf man also schon. Bleibt noch jene Ausstattung, die einer „übermäßigen oder außergewöhnlichen Abnützung“ unterworfen war. Dafür muss der Mieter dem Hausherrn grundsätzlich Ersatz leisten. Doch muss sich der Vermieter seinerseits die Differenz zwischen der Restlebensdauer des alten Einrichtungsgegenstandes und der Lebensdauer des neu hergestellten abrechnen lassen.
  4. Ein gestückelter Bodenbelag entspricht zwar nicht einer ordnungsgemäßen Rückstellung, aber länger als 15 Jahre hält er ohnehin nicht, bleibt maximal ein Fünftel Ersatzanspruch.
  5. Alle 20 Jahre sollte ein Parkettboden geschliffen und neu versiegelt werden. Nur wenn er wegen tiefer Kratzer drei Mal geschliffen werden muss, darf der Mieter dafür zur Kasse gebeten werden.
  6. Einen Haarriss im Waschbecken muss der Vermieter nicht auf sich beruhen lassen, aber länger als 30 Jahre hält ein Waschbecken ohnehin nicht (ein Drittel Ersatz).
  7. Auch bei der kaputten Badezimmertür (Lebensdauer 30 Jahre) und Eingangstür (Lebensdauer 60 Jahre) muss die Mieterin nur aliquote Anteile zahlen.

Damit eroberte Rechtsanwalt Fritz Petri für die Wienerin insgesamt 2700 Euro zurück.

(10.9.2005) 

Siehe auch:

http://verbraucherrecht.at/cms/index.php?id=49&tx_ttnews[tt_news]=1121&cHash=34b5b4d69448d04360f38c4a27fc02bc